Kein Geschäftsmodell ist heute mehr sicher. Selbst etablierte Großkonzernen die heute sehr erfolgreich sind, können schon morgen in Gefahr sein, weil ein innovatives Startup in kurzer Zeit ein besseres Geschäftsmodell auf die Beine stellt. Das Buch „Geschäftsmodelle entwickeln“ beschreibt einige prominente Firmen wie Kodak, die in die Insolvenz gerieten, weil sie nicht in der Lage waren schnell genug auf veränderte Marktsituationen zu reagieren.

Mit dem „St. Galler Business Model Navigator™“ wollen die Autoren Oliver Grassmann, Karolin Frankenberger und Michaela Csik von der University of St. Gallen allen Unternehmen vom Startup bis zum Großkonzern ein Musterbuch an die Hand geben mit dem die Neuausrichtung von Geschäftsbereichen oder ganzen Unternehmen möglich wird.

Im ersten Teil des Buches wird eine leichtgewichtige Darstellung für Geschäftsmodelle eingeführt, die sich später in allen 55 Mustern als Orientierung wiederfindet. Es definiert sich über die vier W-Fragen:

  • Wer ist unser Zielkunde?
  • Was bieten wir dem Kunden an?
  • Wie stellen wir die Leistung sicher?
  • Wie wird Wert erzielt?

Mit anschaulichen Beispielen aus der traditionellen und der digitalen Welt wird dieses Buch zum Lesevergnügen und en passant erfährt man viel über die Erfolgsgeheimnisse von bekannten und erfolgreichen Unternehmen und Startups. Die Firmenbeispiele beschreiben die Autoren jedoch stets wertfrei und so kann sich der Leser selbst eine Meinung bilden, ob er die Geschäftsmodelle der vorgestellten Unternehmen gut findet oder nicht.

Dass das einfache Modell mit den vier W-Fragen nur das Rahmenwerk ist und die Geschäftsmodellinnovation doch eine intensive Vorarbeit benötigt, wird ebenfalls im ersten Teil ersichtlich. Mit einem vierstufigen Vorgehen: Initiierung, Ideenfindung, Integration und Implementierung werden die notwendigen Vorarbeiten erläutert, die jede Geschäftsmodellinnovation erfordert. Mit einem Kapitel zur Begleitung des Wandels, der mit einer Veränderung des Geschäftsmodells einhergeht wird der erste Teil abgerundet. Der klar strukturierte Aufbau dieser Methode zeigt, dass die Autoren viel Praxiserfahrung mit ihrem „St. Galler Business Model Navigator“ gesammelt haben.

Den Kern des Buches bildet der zweite Teil mit den 55 Mustern zur Geschäftsmodellinnovation. Jedes Muster enthält eine Beschreibung, den Ursprung und die Innovatoren, die auf radikale Weise dieses Muster einsetzen und hierdurch erfolgreich wurden. Ein Muster stellt jedoch nicht ein komplettes Geschäftsmodell dar sondern nur Bausteine für ein Geschäftsmodell. Hier beginnt der interessante Ansatz dieses Buches Wirkung zu tragen. Die Kernaussage im Vorwort des Buches besagt, dass innovative Geschäftsmodelle aus der Rekombination der Geschäftsmodellmuster entwickelt werden können. Dementsprechend ist es zunächst erforderlich Wissensaufbau zu betreiben und alle 55 Muster durchzuackern. Erst danach kann man die Muster zu seinem Geschäftsmodel kombinieren. Für diese Aufgabe gibt es auch eine Anleitung für einen Workshop, den man mit Musterkarten (eine Karte für jedes Muster) durchführen kann.

Die Muster sind leider alphabetisch sortiert, weshalb man beim Lesen thematisch sehr springt. Eine Gruppierung nach grundlegenden Kategorien wäre hier wahrscheinlich eingängiger. Manche der Muster kommen einem sofort bekannt vor wie z. B. Cross Selling, Franchising, Self-Service und White Label. Aber auch neuere Errungenschaften die erst durch die weite Verbreitung des Internets möglich wurden, werden dargestellt z. B. Long-Tail, e-Commerce und Crowd Sourcing/Funding. Es gibt traditionelle Muster wie Direct Selling, Auction und License aber auch neuartige wie Leverage Customer Data (mit Big Data derzeit in aller Munde) und Freemium.

Erst durch die vielen Beispiele von Unternehmen, die zum Teil umfangreiche und umwälzende Transformationen durchlebt haben, werden die Muster zum unterhaltsamen Lesestoff. Bei manchen Mustern erlebt man richtige Offenbarungen und versteht erst nach dem Lesen der Muster, warum bestimmte Firmen so erfolgreich wurden. Besonders anschaulich sind die Firmenbeispiele von Hilti und Rolls Royce Flugzeugturbinen, die ihre Geschäftsmodelle auf den Kopf gestellt haben und ihre internen Prozesse und Partnerbeziehungen hierfür umfangreich restrukturieren mussten.

Es gibt allerdings auch Muster, die sich nicht auf den ersten Blick als eigenes Muster erschließen wie das Aikido-Muster, in dem sich ein Unternehmen radikal anders als der Wettbewerb aufstellt und somit die Strategie aus der japanischen Kampfsportart übernimmt.

Teil drei widmet sich zusätzlichen Wegen zur Konstruktion und Umsetzung von Geschäftsmodellinnovationen. Dort gibt es das oben erwähnte Kartenspiel und eine iPad App, aber auch den Hinweis auf die Projektbegleitung durch Worshops für Firmen. Diese werbewirksame Botschaft hätte ich erst später in diesem Buch erwartet.

Die Anhänge mit Glossar, die tabellarische Übersicht aller Muster, Literaturhinweise, ein Stichwort- und Firmenverzeichnis und natürlich die Autorenportraits erhöhen die User Experience des Buchs.

In einer Lasche am Ende des Buches ist ein Poster mit einem stilisierten, topologischen Plan in der Art eines U-Bahn-Netzplanes. Statt Stationen stehen Firmennamen auf der Karte und die (U-Bahn-)Linien sind die Geschäftsmodell-Muster aus dem Buch, die die Firmen auf einer Linie als Gemeinsamkeit haben. Großen Nutzen bringt die Karte jedoch nicht und ist somit nur ein nettes Gimmick.

Fazit

Trotz der sperrigen Kapitelüberschriften und Wortungetümen wie „St. Galler Business Model Navigator™“ ist das Buch „Geschäftsmodelle entwickeln“ ein gut zu lesendes und unterhaltsames Buch. Dies ist vor allem den anschaulichen Beispielen zu verdanken. Nach der Lektüre will man sofort mit den Mustern experimentieren und hinterfragt fortan alle Unternehmen mit deren Geschäftsmodellen und fragt sich welches Muster das ein oder andere Unternehmen so erfolgreich gemacht hat. Gerade die Vorschläge für die Gestaltung von Workshops für die Geschäftsmodellinnovation öffnen durch den strukturierten Ansatz einer Vielzahl von unterschiedlichen Teilnehmern eines Unternehmens den Zugang zur Veränderung des Geschäftsmodells. Das Buch darf also bei keiner Fragestellung zur Anpassung oder Neuausrichtung von Geschäftsmodellen fehlen.

Titel Geschäftsmodelle Entwickeln
Untertitel 55 innovative Konzepte mit dem St. Galler Business Model Navigator
Autoren Oliver Grassmann, Karolin Frankenberger, Michaela Csik
Verlag Hanser Verlag
ISBN 978-3-446-43567-4
Preis 39,90